Revolution: E.On stößt Kernkraft und Fossile ab
Der Energiemarkt ist in Aufruhr: Energieriese E.On verkündete am Montag, sich vom klassischen Energiegeschäft trennen zu wollen. Nach über einem Jahr Getüftele hinter verschlossenen Türen steht die neue Konzernstrategie fest: E.On konzentriert sich auf die erneuerbaren Energien und trennt sich von seinen Kohle-, Gas- und Atomkraftwerken. Experten und Politiker befürchten eine sogenannte „Bad Bank“, die dem Konkurs überlassen werden soll – E.off also?
Etwa drei Jahre nach dem Atommoratorium kämpfte E.On noch immer mit der Umstellung von klassischen Energieträgern, wie Steinkohle, Braunkohle oder Gas – sowie natürlich Kernkraft – auf erneuerbare Energien. Am Montag ließ Konzernchef Johannes Teyssen dann die Bombe platzen: E.On spaltet sich in zwei Konzerne auf. Der ursprüngliche E.On-Konzern fokussiert sich künftig auf das Geschäft mit den erneuerbaren Energien. Die neue Konzerntochter nimmt das ursprüngliche Geschäft mit. Im Konzern ist die Rede von einer „alten“ und einer „neuen Welt“.
Experten befürchten „Bad Bank“
Während der Konzernchef am Montag vor Mitarbeitern, Journalisten und Vorstand nicht müde wurde zu betonen, dass die Konzernspaltung E.On zukunftsfähiger mache, sagen Experten eine Bad Bank vorher. Sie befürchten also, dass E.On mit der Konzerntochter die unrentablen Unternehmensteile abspaltet, diese etwa 2016 verkauft haben wird und die Konzerntochter dann in den Konkurs laufen lässt. Sie befürchten auch, dass diese Konzerntochter dann vom Steuerzahler gerettet werden muss und so der Rückbau von Atom- und Kohlekraftwerken in erster Linie den Geldbeutel des Steuerzahlers belasten wird.
Die Reaktionen im Internet gehen auseinander. Besonders Politiker der Grünen und Naturschutzverbände kritisieren die Konzernabspaltung als abgeschobene Verantwortung des Konzern-Riesens.
Bundesregierung hat sträflich versäumt, Atomkraftwerksbetreiber am Outsourcing von Haftung zu hindern #eon http://t.co/yCGgbz0tL3 //TT
— Jürgen Trittin (@JTrittin) 2. Dezember 2014
Schafft #Eon Badbank? Wer zahlt dann Rückbau der AKW? Rückstellungen der Konzerne in öffentichen Fonds! BUND-Studie: http://t.co/aK4vyefK2Y
— BUND (@bund_net) 2. Dezember 2014
Werthaltig und Konkurrenzfähig
„Wir sind davon überzeugt, dass Energieunternehmen sich grundsätzlich auf eine der beiden Welten fokussieren müssen“, sagt Teyssen. Dabei will er jeden Anschein vermeiden, dass das alte Geschäft keine Wachstumschancen habe. Von einer „Bad Bank“ will er nichts wissen. „Unsere neue Gesellschaft aber wird von der Wasserkraft bis zum Kohlekraftwerk, von Gaskraftwerk bis zur Kernkraft, mit Gasspeichern, mit dem Handelsgeschäft und vielem mehr sehr breit und werthaltig aufgestellt“, so der E.On-Chef gegenüber dem Handelsblatt. Zwar sei die Zukunft der alten Energiewelt in Deutschland nicht mehr gesichert, so Teyssen, wohl aber in Europa. Zwar vielleicht nicht für ewig, gibt er zu, aber doch noch für einige Jahrzehnte.
Teyssen selbst hält die Konzerntochter für „werthaltig“ und „konkurrenzfähig“, wie er im Interview mit dem Handelsblatt bestätigt. „Wir sind der Überzeugung, für Eon wäre ein ‚weiter so‘ keine überzeugende Strategie gewesen. Wir mussten Konsequenzen ziehen“, so der E.On-Chef. Das Geschäft mit der alten Energiewelt wird so 2016 in eine neue Gesellschaft abgespaltet. 20.000 Mitarbeiter sollen dort beschäftigt werden und 40.000 bei E.On – die Arbeitnehmerverbände sind bei der neuen Strategie mit an Bord. Nix mit „E.Off“ also.
Neue Konzernstrategie setzt Konkurrenz unter Druck
RWE-Chef Peter Terium dürfte von der neuen E.On-Strategie überrascht worden sein. Auch RWE möchte sich stärker auf die Energiewende konzentrieren, gleichzeitig will der Konzern aber auch seine Kohlekraftwerke sichern. „Wir wollen unseren Konzern weiterhin entlang der gesamten Wertschöpfungskette aufstellen“, resümierte eine RWE-Sprecherin.
Mit dem Umschwung in der Konzernstrategie reagiert der Energieriese auf die Energiewende, die für alle vier großen deutschen Stromkonzerne ökonomische Schwierigkeiten mit sich brachte. Auf das Geschäft mit der Kernenergie, das bis 2011 einen Mammutanteil am Umsatz der Unternehmen hatte, war plötzlich kein Verlass mehr: Die Politik hatte den Atomausstieg beschlossen, einige Atomkraftwerke wurden bereits vom Netz genommen. Das Geschäft mit den erneuerbaren Energien lief nur schleppend an. Im letzten Quartal 2014 muss E.On daher eine Wertberichtigung von 4,5 Milliarden Euro hinnehmen und wird am Ende des Geschäftsjahres nach Handelsblatt-Informationen einen erheblichen Fehlbetrag ausweisen.
Die neue Strategie des größten deutschen Energieriesen setzt auch die Konkurrenz unter Druck: Während E.Ons Aktie am Montag ein Plus von fast 4,5 Prozent verzeichnen konnte (Tagessieger im Deutschen Aktienindex), blieben die Kurse beispielsweise von RWE unverändert.
Spott erspart die Netzwelt dem Konzern dennoch nicht. Karikaturisten machten sich bereits an die optische Aufarbeitung des Themas, wie folgender Screenshot beweist. Ob es so kommt, wird sich erst zeigen, wenn es tatsächlich an den Rückbau der Kernkraftwerke geht, der bislang noch aussteht.