Eco²

Economy feat. Ecology

Friedrich Muth (geboren 1926)

„Die Mädchen rauchen jetzt sogar“ – Ein Gespräch über die Digitalisierung

Ich habe mich mit meinem Großvater über Facebook, Pflegeroboter, selbstfahrende Autos und die Digitalisierung unterhalten. Uns verbindet ein sehr enges Verhältnis. Mein Großvater ist inzwischen über 90 Jahre alt und hat jeden technischen Fortschritt als Zeitungssetzer sehr nah miterlebt. Die Umstellung auf Linotypes, Schreibmaschinen, Computer. Mit Mitte 80 entschied er sich, noch einen Laptop zu kaufen und schreibt seitdem regelmäßig E-Mails an seine Enkel und Urenkel. Trotzdem gibt es noch einiges, was auch ihm als sehr aufgeschlossenem Menschen Sorgen bereitet.

Opa, erinnerst du dich noch an deinen ersten Computer?
Natürlich! Den ersten Computer habe ich bei mir im Geschäft bedient. Ich war Schriftsetzer, hatte alles noch von Hand gelernt, mit einem Winkelhaken. Ende der Siebziger bekamen wir dann unseren ersten Rechner. Dieses riesige Ding, die Computer waren unendlich groß. Es wurde dafür eigens ein Raum gebaut.

Und im Privaten?
Vor genau 50 Jahren habe ich ein Telefon ins Haus geholt, der erste Hauscomputer kam dann vor etwa 30 Jahren. Und vor sechs Jahren habe ich mir dann einen Laptop zugelegt, da war ich 84.

Das muss seltsam gewesen sein.
Oh ja, das ist ungeheuerlich! Wenn man sich den Laptop anschaut, ist es nur schwer vorstellbar, dass so ein Computer mal den Platz eines ganzen Raums eingenommen hat! Ich sage dir, ich war so happy. Den ganzen Tag und die ganze Nacht habe ich dort gesessen und an meinem Laptop rumgemacht. Ich konnte erst gar nicht damit umgehen.

Aber heute schreibst du doch auch E-Mails und hast alle deine Fotos digitalisiert.
Ja, ich habe mir jemanden geholt, der es mir erklärt hat. Es ist ja gut, dass ich den Laptop habe, aber heute würde ich das nicht mehr machen. Ich kapiere ihn nicht ganz. Ich sehe Leute mit Laptop und was die damit alles machen, aber ich kann nicht alles.

Wann warst du das erste Mal im Internet?
Das wird so 15 oder 20 Jahre her sein. Ich habe das Fortschrittliche daran sofort erkannt und mir gedacht, das muss ich unbedingt haben. Ich habe beim Internet einfach das Gefühl, dass alles möglich ist. Es war eine neue Aufgabe, richtig toll. Heute könnte ich mir die Welt ohne Internet gar nicht mehr vorstellen.

Und wie sieht es mit einem Handy aus? Das ist doch wie ein kleiner Computer in der Hosentasche.
Ein richtiges Handy hatte ich nie. Ich wollte mir kürzlich eines kaufen, aber ich komme damit nicht mehr klar. Ich glaube, das wird alles noch besser. Ich werde es wohl nicht mehr erleben, aber: Was da in Zukunft alles noch möglich sein wird!

Könntest du dir vorstellen, Facebook zu nutzen? Du könntest deine Fotos zum Beispiel im Internet teilen, und fast jeder könnte sie ansehen.
Ich habe meine Fotos auf dem Laptop, aber ins Internet würde ich sie niemals stellen. Das ist für mich indiskutabel.

Warum?
Was gehen denn meine Nachbarn meine Familienbilder an? Das geht doch niemanden etwas an, das ist meine persönliche Sache. Aber was ich schon gemacht habe: Ich habe alle Fotos aus den Alben herausgetrennt und eingescannt. Jetzt kann ich sie mir immer auf dem Computer anschauen. Aber ins Internet möchte ich sie nicht stellen.

Glaubst du, Facebook und Co. haben die Menschen verändert? Das ist wohl so. Wenn ich heute auf den Wochenmarkt gehe, treffe ich fast keine Bekannten mehr, und die Leute sind mehr am Handy, als dass sie sich für die richtige Welt interessieren. Und die Mädchen rauchen ja jetzt auch, und die haben alle ihr Handy in der Hand. Wenn ich mit dem Bus fahre sind alle am Handy, immer sind alle am Handy.

Stört dich das denn?
Es ist schon komisch. Die Menschen denken nicht mehr selbst. Sogar in der Schule dürfen sie jetzt ihre Handys zum Rechnen benutzen. Das hat mir neulich einer erklärt. Sie haben da Rechner-Handys.

An Schulen wird heute auch mit Tablets und interaktiven Tafeln unterrichtet.
Ich musste damals noch Kopfrechnen lernen. Heute macht man das nicht mehr. Aber ist ja auch logisch, denn das Handy rechnet schließlich immer richtig. Wenn ich daran denke, wie wir noch rechnen mussten!

Im Moment wird viel über selbstfahrende Autos gesprochen. Autos, die immer intelligenter werden. Würdest du dich in so eines reinsetzen?
Nein, das kann ich mir gar nicht vorstellen. Ich glaube schon, dass die Technik immer besser wird. Man liest es in der Zeitung. Viele Menschen arbeiten daran. Aber ich bin der Meinung, selbst fahren ist das Allerbeste.

Auch für dich? Du kannst ja nicht mehr selbst Autofahren. Wäre es nicht cool, wenn du ein Auto hättest, das dich kutschiert?
Das ist schon möglich, aber ich habe es nicht ausprobiert. Und alles, was ich nicht ausprobiert habe, daran glaube ich nicht.

Du könntest ja auch Fußgänger in einer Welt mit selbstfahrenden Autos sein.
Das macht mir Angst.

Warum?
Weil es immer Fehler gibt und immer geben wird. Ich glaube, es wird mehr Fehler geben, wenn die Menschen nicht mehr selbst fahren. Bis zu einem gewissen Alter natürlich. Alte Menschen sollte man nicht mehr fahren lassen. Mit 80 Jahren sollte man schon aufhören. (lacht) Jaja, also ich war 85, aber dann hatte ich Aussetzer.

Wie findest du es, dass Roboter in manchen Ländern schon alte Menschen pflegen?
Das gibt es? Also das kann ich mir gar nicht vorstellen.

Warum?
Zum Einschenken, Kaffee oder Tee, in Ordnung, aber für andere Dinge möchte ich schon noch einen Menschen haben. Ich will mich unterhalten, und wenn ich schlecht sehe, will ich erzählt bekommen, was er sieht. Da möchte ich keinen Roboter haben. Stell dir vor, du bist ein alter Mensch und auf Hilfe angewiesen und dann kommt nur ein Roboter daher? Also, alles was recht ist! Ich möchte auch im Alter meine Lebensqualität erhalten.

Viele Roboter können schon reden.
Trotzdem, mir würde da etwas fehlen. Ich glaube, sie kommen mit der Technik und den Robotern jetzt an eine Grenze. Es kann nicht sein, dass ein Roboter irgendwann alles übernimmt. Das ist doch unvorstellbar! Ein Roboter kann dir keine vernünftigen, empathischen Antworten geben. Ich glaube, das ist alles noch Zukunftsmusik.

Fürchtest du dich bei all der Automatisierung vor Hackerangriffen?
Natürlich kann uns das treffen. Aber Angst davor habe ich nicht. Zum Operieren benutzt man schon Computer. Aber im Prinzip braucht man immer noch einen Arzt, der das kann. Wenn du keinen Arzt mehr hättest und die Hacker kämen, . . . nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Solange nicht alles vollautomatisiert ist, brauchen wir uns nicht zu sorgen.

Keine Angst also vor Robotern oder Hackern.
Ich bin schon froh, dass es noch Menschen gibt, die auch im Alter noch für einen da sind. Die wissen, dass sie mal alt werden, und haben Respekt. Schau mal, das Apfelmus von deiner Mutter ist so hervorragend. Und nun stell dir mal vor, dein Pflegeroboter würde kommen und sagen: ,Hier hast du Apfelmus, das hat der Computer von der Nella gekocht.‘ Nee, nee, also das möchte ich nicht. Jetzt möchte ich erst mal 95 Jahre alt werden.

Share Button

DigitalisierungFacebookGroßvaterOnlinePflegePflegeroboterRoboterTwitter

Anna Steiner • 19. Januar 2017


Previous Post

Next Post

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published / Required fields are marked *